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Prof. von Klitzing zur Zensur der Studie | Deutschland | Prof Löscher1 | Prof Löscher2
Die Zensur der Rinderstudie
Zensierter Endbericht über die "Untersuchungen zum Einfluß elektromagnetischer Felder von
Mobilfunkanlagen auf Gesundheit, Leistung und Verhalten von Rindern" (Download ca.1 MB)
Dick wie ein Telefonbuch ist das Schriftstück, das Fachtierarzt ChristophWenzel da in den Händen hält. "Die Deutlichkeit unserer Ergebnissekann hier nachgelesen werden", sagt er. Zwei Jahre lang hat er mit anderenWissenschaftlern der Universität München und Kollegen aus Gießendaran geforscht, ob elektromagnetische Felder von Mobilfunkanlagen Einflussauf Gesundheit, Leistung und Verhalten von Rindern haben. Und jetzt gibtes im bayerischen Landtag unterschiedliche Auffassungen über die Aussagender so genannten Rinderstudie. "Nichts Neues" finden die Auftraggeber imbayerischen Umweltministerium und geben per Pressemitteilung Entwarnung."Es steht eine Menge drin, um kritisch mit dem Thema umzugehen", meint RuthPaulig von den Grünen. Auch Tierarzt Wenzel betont, während ernoch einmal im Resümee blättert: "Die Phänomene geben Anlass, politisch und wissenschaftlich zu handeln."
Die Rinder und die Handys. Damit, sagt das Umweltministerium, hat sich weltweit bislang niemand sonst beschäftigt. Begonnen hat die Sache vor mittlerweile sieben Jahren auf einem Bauernhof im Chiemgau. "Ich hab den Hof jetzt zwanzig Jahre", erzählt Joseph Altenweger, "und ich hab ihn immer gut geführt. Aber ab dem Jahr 1994 war des nicht mehr zu beherrschen." Miss- und Fehlgeburten häuften sich, Kühe wurden nicht mehr trächtig und benahmen sich merkwürdig. An Futter und Tierhaltung konnte es nicht liegen, stellte der bayerische Tiergesundheitsdienst fest. So war Bauer Altenweger mehr und mehr davon überzeugt, dass die nahen Mobilfunkmasten schuld an den "Auffälligkeiten" seien. "Der Hof steht ja im Fadenkreuz von drei", so der Landwirt, "und die mussten der Auslöser sein, weil wir vorher die Probleme nicht hatten."
Auch andere Bauern berichteten von ähnlichen Phänomenen, so dass das bayerische Umweltministerium vor drei Jahren die Studie in Auftrag gab. Auf 38 Bauernhöfen in Bayern und Hessen wurde das Vieh unter die Lupe genommen. Durch eine Einteilung in vier Gruppen sollte die verschieden starke Exposition verglichen werden. Die Gießener Wissenschaftler machten bei den Kühen ein großes Blutbild, die Münchner Gruppe war für den verhaltenskundlichen Teil verantwortlich.
Wenzels Fazit: "Das Wiederkau- und Liegeverhalten ist gestört." Zudem sei eine Beunruhigung der Tiere festgestellt worden, "die Ausschüttung des Stresshormons unterstützt diese These". Ein denkbares Szenario, das aber die vorliegende Arbeit nicht beweise, könnte eine physiologische Imbalance, die Schwächung der Konstitution und die Reduzierung der unspezifischen Immunität sein. Eine Kuh, die in der Nähe eines Mobilfunkmasts lebt, wäre somit krankheitsanfälliger. Wenn auch, so Wenzel, das Konzept der Feldstudie gewisse Schwächen aufweise, so zeigten die signifikanten Ergebnisse alle in die gleiche Richtung: "Es darf keine Entwarnung gegeben werden."
Das Umweltministerium aber stellte fest: "Ein direkter Zusammenhang zwischen der Strahlung von Mobilfunk-Antennen und der Gesundheit von Rindern konnte nicht nachgewiesen werden." Ein Gefährdungs-Szenario durch Mobilfunk sei nach Auswertung der Studie nicht erkennbar, nach Ansicht der Wissenschaftler aber auch nicht hundertprozentig auszuschließen. Minister Werner Schnappauf (CSU) folgerte daraus: Es muss weiter geforscht werden, und zwar vom Bund.
Weiteren Forschungsbedarf sieht zwar Wenzel auch, aber auf Grund der vorliegenden Ergebnisse könnten jetzt schon Maßnahmen ergriffen werden. "Sonst hängt unsere Arbeit in der Warteschleife, und es vergehen weitere Jahre."
800 000 Mark hat die Rinderstudie gekostet, die Hälfte zahlten die Mobilfunkbetreiber. "Und das ist nicht einzusehen", moniert die Grüne Paulig. Auch der fraktionslose Abgeordnete Volker Hartenstein ist empört: "Als Gegenleistung durften die Vertreter der Mobilfunkbranche Einfluss auf die Auswahl der Höfe nehmen." Denkbar sei ja, dass die Mobilfunkbetreiber Höfe ausgewählt hätten, in deren Nähe eine Sendeanlage installiert wurde, allerdings erst kurz vor Beginn der Studie. Dadurch würde das Ergebnis entsprechend abgeschwächt. Hartenstein verweist auf die Schlussfolgerung im Kurzbericht der Studie: "Die landwirtschaftlichen Betriebe hätte man sicher auch sorgfältiger auswählen können." Unqualifiziert oder absichtlich unsachgerecht sei man vorgegangen bei der Expositionsermittlung, meint Hartenstein. Und er erzählt von einem Betrieb, in dem neun Frequenzen festgestellt worden seien, die Messungen aber nur eine relativ geringe Gesamtimmission ergeben hätten. Darüber verwundert, schaute Hartenstein vor Ort nach den Gründen. Der Stall sei auf einer Seite durch einen Erdwall geschützt, auf der anderen Seite hätte man durch die Fenster auf den Sendemasten schauen können. "Die Messungen wurden an der abgewandten Ostseite im geschützten Mittelteil durchgeführt, an der Westseite aber traten in der Rinderherde mehrere Aborte auf."
Damit ist der Landtagsabgeordnete, der bis 1999 der Fraktion der Grünen angehörte, mit seiner Kritik noch nicht am Ende. Mit der nun vorliegenden Fassung der Studie will sich Hartenstein nicht abspeisen lassen. "Hier ist Einfluss genommen worden", sagt er. Ihm lägen Vorfassungen aus Gießen vor, in denen von "hochsignifikanten" Auswirkungen die Rede sei. In der Endfassung fehle dieser Part allerdings. "Wenn das Zahlenmaterial das hergibt, muss das auch da so stehen." Es gebe für die Weglassung nur zwei Möglichkeiten. Die Wissenschaftler hätten das selbst geändert, oder das Ministerium hätte Druck gemacht. "Es hat vorher verschiedene Arbeitsfassungen gegeben", sagt Wenzel, das sei immer so. An der Endfassung aber hätte keiner etwas verändert. Das Ministerium wies die Vorwürfe Hartensteins entschieden zurück und bezeichnete sie als "völligen Unsinn".
Dennoch wird es am 15. März im Landtag eine Anhörung aller an der Studie beteiligten Wissenschaftler geben. Das hat Hartenstein im Umweltausschuss durchgesetzt. Und die SPD-Abgeordnete Waltraud Schmidt-Sibeth kann von einem Gespräch mit dem beteiligten Wissenschaftler Alexander Herzog berichten, der bereit sei, eine neue Auswertung vorzunehmen. "Es geht um eine andere Zuordnung der Rinder", sagt Schmidt-Sibeth, damit könnten viel klarere Ergebnisse erzielt werden. Wenzel findet das unnötig, "wir ermuntern doch deutlich zu politischem Handeln". Vor allem die Grenzwerte müssten endlich mal diskutiert werden.
Nach Meinung des Medizinphysikers Lebrecht von Klitzing gehören die "massiv geändert"; denn das biologische System würde weit unter den Grenzwerten und zudem individuell reagieren. "Wir haben es mit unterschiedlichen Strahlungen zu tun, aber es wird alles über einen Kamm geschert." Das biologische System reagiere auf die Pulsung der elektromagnetischen Felder, von Klitzing berichtet von erhöhter Nervosität bis hin zu Ohrensausen oder Atemnot. Seine Forderung: "Vor Einführung einer neuen Technik muss die biologische Verträglichkeit von einer unabhängigen Gruppe untersucht werden."
Die Rinderstudie hält Schmidt-Sibeth in diesem Zusammenhang für "unglaublich wichtig". Den Menschen sei immer vorgehalten worden, nicht die Belastung selbst, sondern die Angst davor mache sie krank. "Aber Rindern kann man das nicht unterstellen."
Copyright © Frankfurter Rundschau 2001
Von: Reinhard Rückemann [rueckemann@papyrus-germany.com]
Gesendet: Mittwoch, 24. April 2002 02:44
Frankfurter Rundschau vom 23.04.2002
Sender beeinträchtigen Kühe
Studie weist Auswirkung von Mobilfunk auf Rinder nach
Von Detlef Sundermann
Nach einer Studie der Universität München beeinträchtigen offenbar Mobilfunkstrahlen das Wohlbefinden bei Milchkühen. Das dreiköpfige Forscherteam spricht von einer "chronischen Stressbelastung". Das Untersuchungsumfeld umfasste 30 Höfe in Bayern und Hessen.
MÜNCHEN, 22. April. Das Ergebnis der Expertise könnte Wasser auf die Mühlen der Mobilfunkgegner sein. In einer zweijährigen Studie haben Veterinäre der Universität München und Gießen das Verhalten von Milchrindern beobachtet, deren Stall oder Weidefläche in unmittelbarer Lage von Mobilfunksendern liegt. Die Tiere wurden über mehrere Wochen zu verschiedenen Tageszeiten über eine Videokamera beobachtet, um äußere Einflüsse auszuschließen.
Auffällige Befunde konnten Anna-Caroline Wöhr, Jürgen Unshelm (beide München) und Christoph Wenzel (Gießen) beim Liegen, in der Ruhephase und beim Wiederkäuen der Probanden ausmachen. Wie Wöhr der FR erklärte, blieb die Milchproduktion als Indikator außen vor. "Turbomilchkühe", die Leistungsfutter bekommen, produzierten weitgehend konstante Milchmengen.
Kühe, die einer hohen Strahlenbelastung ausgesetzt sind, legen sich auffällig häufig auf die linke Seite. Frühere Untersuchungen zum Liegeverhalten belegen, dass Rinder gewöhnlich die linke und rechte Körperseite nahezu gleichmäßig belasten. In diesem Zusammenhang ergab sich für das Wissenschaftler-Trio noch eine andere Auffälligkeit. Die Milchlieferanten legen sich in der Ruhephase entweder überdurchschnittlich lange oder gar nicht hin, weil "die Kühe das Aufstehen und Niederlegen scheuten", heißt es in dem Bericht, der in der Fachzeitschrift Der praktische Tierarzt erstmals veröffentlicht wurde.
Außerdem litten die Mobilfunk-exponierten Rindviecher der Untersuchung zufolge offensichtlich an Fressstörungen. Die Häufigkeit und die Dauer des Wiederkauens lagen klar unter dem Durchschnitt. Das Wiederkäuen ist Teil der Verdauung und ein Zeichen des Wohlbefindens.
Parallel zu den Verhaltensbeobachtungen konnten die Forscher abweichende Hormonspiegel beim Cortison und Melatonin messen, letzteres regelt die Schlaf-/Wachphase. Damit wirken die gepulsten Mobilfunkstrahlen auf die Hirnanhangdrüse und Nebennierenrinden, lautet die Hypothese der Studie.
Die gesamte Untersuchung ist im Internet unter
vetmed.uni-muenchen.de
nachzulesen.
Prof. Löscher zur Rinderstudie
DER PRAKTISCHE TIERARZT 84, Heft 11, 850-863 [2003]
Aus dem Institut für Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie der Tierärztlichen Hochschule Hannover (Direktor Prof. Dr. W. Löscher)
zu Prof Löscher siehe auch http://tiho-hannover.de/einricht/pharma/mitarbeiter/wloscher.htm
Die Auswirkungen elektromagnetischer Felder von Mobilfunksendeanlagen auf Leistung, Gesundheit und Verhalten landwirtschaftlicher Nutztiere: Eine Bestandsaufnahme
W. LÖSCHER
Praktischer Tierarzt 84 (11), S. 850-863 (2003), © Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co KG, ISSN 0032-681 X
Erste Feldstudie zur Untersuchung der Auswirkung elektromagnetischer Felder von Mobilfunksendeanlagen auf Leistung, Gesundheit und Verhalten von Rindern.
"Nach Abschluss der Untersuchungen wurde vom BStMLU in München am 29. November 2000 ein Abschlusskolloquium mit einem Expertengremium aus den Untersuchern, Vertretern der Mobilfunkunternehmen und des Ministeriums sowie einigen eingeladenen Wissenschaftlern durchgeführt, an dem auch W. Löscher teilnahm.
Auf diesem Abschlusskolloquium wurden von den beteiligten Gruppen Untersuchungsergebnisse gezeigt und diskutiert, die nur zum Teil Eingang in den vom BStMLU publizierten Abschlussbericht fanden (BStMLU 2001).
Die im Folgenden zusammengefassten Untersuchungsergebnisse und ihre Bewertung beruhen deshalb auf den Informationen des Abschlussberichtes und des Abschlusskolloquiums sowie der persönlichen Einschätzung der Ergebnisse durch W Löscher, die zum Teil erheblich von der Einschätzung des BStMLU abweichen, aber auf den gleichen Ergebnissen basieren.
Leider wurden bei der Planung der Untersuchung einige gravierende Fehler gemacht (s. u.), sodass die Untersuchung nur sehr begrenzte Aussagen erlaubt."
"Trotz dieser aufgrund von Planungsfehlern entstandenen Einschränkungen in der Aussagefähigkeit der Untersuchung ergaben sich einige besorgniserregende Unterschiede zwischen exponierten Betrieben und Kontrollbetrieben, die nicht durch geographische Faktoren oder BVD zu erklären waren.
(1) Der m. E. besorgniserregendste Befund der Studie ist eine dramatisch erhöhte Zahl von missgebildeten Kälbern (Missgeburten mit z. B. Gliedmaßenanomalien) in den exponierten Beständen (38 missgebildete Kälber in den exponierten versus 11 in den Kontrollbeständen) im Untersuchungszeitraum.
Da eine BVD-Infektion Missgeburten fördern kann, wurde dieser Befund auf die erhöhte Inzidenz von BVD in den exponierten Beständen zurückgeführt. Allerdings traten auch in nicht-BVD-infizierten Beständen mit Mobilfunk-Exposition mehr als doppelt soviel Missgeburten auf (12) wie bei nicht-BVD-infizierten Kontrollbeständen (5).
(2) In den exponierten Betrieben traten vermehrt Erkrankungen (z.B. Augenentzündungen) auf, die auch schon in dem von Löscher und Käs (1998) anekdotisch berichteten Fall in Schnaitsee beobachtet worden waren.
(3) Aufgrund der Publikation zu Mikrokernen in Erythrozyten von Rindern in der Nähe einer Radaranlage (Baiode 1996) wurde auch das Vorkommen von Mikrokernen in der bayerischen Rinderstudie untersucht. Mikrokerne, die normalerweise nur sehr selten in Erythrozyten auftreten, sind ein Hinweis auf eine erbgutschädigende Wirkung und werden z. B. durch ionisierende Strahlen oder krebserzeugende Chemikalien hervorgerufen.
In der bayerischen Untersuchung an Milchkühen wurde keine Zunahme von Erythrozyten mit Mikrokernen bei mobilfunk-exponierten Kühen festgestellt, allerdings hatten mobilfunk-exponierte Rinder signifikant häufiger als Kontrollrinder zwei Mikrokerne pro Erythrozyt, ein unerwarteter und besorgniserregender Befund.
Weitere Hinweise auf genotoxische Wirkungen (z. B. Schwesterchromatidaustausche) gab es jedoch nicht.
(4) Schließlich ergaben sich eindeutige Verhaltensänderungen bei Mobilfunk-exponierten Kühen. So zeigten exponierte Tiere kürzere Liegezeiten und eine erniedrigte Wiederkaudauer und -frequenz (Wenzel et al. 2002), was in der Konsequenz zu einer schlechteren Nahrungsverwertung führt und den von Löscher und Käs (1998) berichteten Rückgang der Milchleistung bei exponierten Kühen erklären könnte.
In der bayerischen Studie wurde der Einfluss einer Mobilfunk-Exposition auf die Milchleistung leider nicht eingehend untersucht."
"Zusammenfassend zeigt die bayerische Untersuchung an Mobilfunk-exponierten Milchkuhbeständen also eine Reihe von Tendenzen, die besorgniserregend sind und dringend der weiteren Abklärung bedürfen. Die bisher vorliegenden Beobachtungen könnten dadurch erklärt werden, dass elektromagnetische Felder im Sinne eines chronischen Stressors wirken, der zu Leistungs- und gesundheitlichen Veränderungen führt.
Diese Annahme wird durch zahlreiche experimentelle Befunde unterstützt (zur Übersicht s. Smith 1996)."
"Zur weiteren Abklärung der Auswirkung von Mobilfunksendeanlagen auf Leistung und Gesundheit von Kühen plant eine Reihe von Arbeitsgruppen der Tierärztlichen Hochschule Hannover eine umfangreiche, prospektive Untersuchung bei Mobilfunk-exponierten Milchviehbeständen und Kontrollbeständen in Niedersachsen."
"Falls die bisher berichteten Beobachtungen wissenschaftlich bestätigt werden können, hätte dies erhebliche Konsequenzen für die Beurteilung der gesundheitlichen Risiken durch hochfrequente elektromagnetische Felder von Mobilfunkanlagen für Tier und Mensch.
Leider ist die Finanzierung der geplanten Untersuchung in Niedersachsen vor allem aufgrund von Bedenken des Bundesamtes für Strahlenschutz bisher nicht gesichert, obwohl zunächst vom Bundesumweltministerium eine Finanzierung in Aussicht gestellt worden war."
Schlussfolgerungen
"Abschließend kann die Frage, ob hochfrequente elektromagnetische Felder von Mobilfunksendeanlagen negative Auswirkungen auf Leistung, Gesundheit und Verhalten von landwirtschaftlichen Nutztieren haben, wissenschaftlich zur Zeit nicht eindeutig beantwortet werden.
Anekdotische Fallbeschreibungen erlauben keinen sicheren Rückschluss auf einen Kausalzusammenhang zwischen Exposition und den dokumentierten Veränderungen, und die bisher einzige vorliegende großangelegte Untersuchung, die bayerische Rinderstudie, weist erhebliche Planungsmängel auf, die ihre Aussagekraft stark einschränken.
Andererseits fallen die Analogien bei den beobachteten Veränderungen bei nieder- und hochfrequenten Feldern sowie bei verschiedenen Tierarten auf. Immer wieder werden Fertilitätsstörungen, Fehl- oder Missgeburten und Verhaltensanomalien beobachtet. Zudem scheinen v. a. Tiere in besonderer Leistungssituation, also trächtige oder zu besonderer Hochleistung gezüchtete Tiere betroffen zu sein.
Tiere in besonderer Leistungssituation sind auch besonders empfindlich auf alle Veränderungen in ihrer Umgebung, die mit Stress verbunden sind, so dass die durch Verhaltensbeobachtungen gestützte Vermutung, dass elektromagnetische Felder in Form eines Stressors auf den Organismus einwirken, plausibel erscheinen (Löscher u. Käs 1998, Wenzel et al. 2002)."
"Unklar ist bisher, warum es in einigen Tierbeständen in der Nähe von Mobilfunksendeanlagen zu Veränderungen bei exponierten Tieren kommt, in anderen Beständen bei ähnlicher Exposition aber nicht. Die ab und zu in diesem Zusammenhang diskutierten niederfrequenten Kriechströme scheiden nach Ansicht von Experten aus (BStMLU 2001).
Dagegen kann die Interaktion zwischen verschiedenen Mobilfunksendern oder zwischen Mobilfunksender(n) und TV- oder Radiosendern eine entscheidende Rolle spielen, die der weiteren Untersuchung bedarf (Löscher u. Käs 1998).
Neben expositions-assoziierten Faktoren können auch genetische Faktoren der exponierten Tiere für Unterschiede zwischen Tierbeständen eine entscheidende Bedeutung haben (s. o.). Eine wichtige bestandsspezifische Bedeutung hat möglicherweise auch der experimentell belegte Synergismus zwischen elektromagnetischen Feldern und verschiedenen anderen Stressoren, z. B. Hitze (Gutzeit 2001).
Eine offene Frage ist auch, warum die Exposition in viel stärkeren hochfrequenten Feldern von Radio und TV i. G. zu Mobilfunk anscheinend keine Veränderungen bei landwirtschaftlichen Nutztieren hervorruft (s. Beispiel Altenweger). Hier könnte wie wiederholt vermutet der Typ der Modulation, also die niederfrequente Pulsung der hochfrequenten Mobilfunkfelder, eine entscheidende Rolle spielen (Tenforde 1997).
Zusammenfassend bedarf die Frage, ob und unter welchen Umständen die erhöhte Exposition von landwirtschaftlichen Nutztieren in hochfrequenten elektromagnetischen Feldern von Mobilfunksendeanlagen negative Auswirkungen auf Gesundheit, Leistung oder Verhalten ausübt, der weiteren wissenschaftlichen Untersuchung.
Nach Einschätzung des Autors lassen die bisher vorliegenden Fallberichte und Untersuchungen den Schluss zu, dass derartige Auswirkungen wahrscheinlich sind, die expositions- und bestandsspezifischen Faktoren, die derartige Auswirkungen begünstigen, aber bisher weitestgehend unbekannt sind.
Die Aufklärung dieser Faktoren könnte dazu beitragen, die möglichen Risiken elektromagnetischer Feldexposition zu minimieren und sollte deshalb sowohl im Interesse der Politik, der Gesundheitsbehörden als auch der Mobilfunkindustrie liegen."
Die Auswirkungen elektromagnetischer Felder von Mobilfunksendeanlagen auf Leistung, Gesundheit und Verhalten landwirtschaftlicher Nutztiere: Eine Bestandsaufnahme
W. Löscher
[2003-10-30]
ZUSAMMENFASSUNG
Das mögliche Risikopotential hochfrequenter elektromagnetischer Felder des Mobilfunknetzes wird seit Jahren kontrovers und emotional diskutiert. Da Mobilfunksendeanlagen häufig auf landwirtschaftlich genutzten Flächen errichtet werden, stellt sich aus tiermedizinischer Sicht die Frage, ob an landwirtschaftlichen Nutztieren in unmittelbarer Umgebung solcher Sendeanlagen Veränderungen in Gesundheit, Leistung oder Verhalten auftreten. Diese Übersichtsarbeit stellt eine Bestandsaufnahme dieses Themas dar. Neben einer Reihe von Fallbeschreibungen bei Milchrindern, Schweinen und Geflügel wird die bayerische Rinderstudie diskutiert, die trotz zum Teil gravierender Mängel einige besorgniserregende Unterschiede zwischen hoch und niedrig exponierten Betrieben zeigte, so eine Erhöhung von Missgeburten und Verhaltensänderungen, die zu einem Rückgang der Milchleistung führen können. Aufgrund dieser Beobachtungen planen einige Arbeitsgruppen der Tierärztlichen Hochschule Hannover eine epidemiologische Studie zur Auswirkung elektromagnetischer Felder von Mobilfunksendeanlagen auf Leistung, Gesundheit und Verhalten von Rindern. Wir erwarten von dieser Studie eine weiterführende Klärung der Frage, ob und unter welchen Bedingungen eine Exposition in derartigen Feldern ein Risiko für landwirtschaftliche Nutztiere darstellt und zu ökonomischen Verlusten führen kann.
http://vetline.de/dpt/zeitungen.htm
Die Zensur der Rinderstudie
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